Leserbrief zu «Veloweg mit offenem Ende - Velostation» von David Herter, Der Landbote vom 23. November 2019

Elias Leimbacher, 07.12.2019

Der Artikel zur neuen Velostation bei der Bahnunterführung Wülflingerstrasse endet mit dem Zitat: „Um den Bahnhof ist es sehr eng.“ Das ist so. Weitere Bauwerke - auch wenn diese Veloabstellflächen enthalten - machen es noch enger. Velos scheinen in Winterthur den Status heiliger Kühe zu geniessen. Als Velofahrer freut mich das, nur darf es für andere Sachverhalte und deren Auswirkungen nicht blind machen.
 

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Winterthur Gleiskorridor
Bild: Andreas Mader


Die sehr diskutablen Aspekte zur Entwicklung und Gestaltung der im Artikel beschriebenen Velostation klammere ich hier aus und konzentriere mich auf Grundsätzliches.

 

Die Bauten Stellwerk 1, das geplante Stellwerk 2 und nun die neue angekündigte Velostation anstelle der ESSE-Bar sind im Grundsatz nicht von und für die Stadt Winterthur sondern für und durch die SBB Immobilien gebaut oder geplant. Die Abteilungen (Divisionen) SBB Personenverkehr, SBB Infrastruktur oder SBB Cargo brauchen diese Gebäude aus meiner Sicht nicht zwingend. Sie enthalten - neben den betörenden Velostationen - Wohnungen, Büroflächen und Anlieferung/Entsorgung für die neuen im Bau befindlichen Läden unter den Geleisen, welche durchaus als Konkurrenz zur Altstadt gesehen werden können. Die unmittelbar an den Bahnhof angrenzende Stadt wäre sehr wohl geeignet solche Nutzungen aufzunehmen und würde damit besser befähigt eine folgerichtige breitere Urbanisierung entstehen zu lassen.

Muss wirklich alles im Bahnhof abgehandelt werden? Wäre es nicht an der Zeit mehr Platz in der Stadt zu suchen und den Zügen und Bahnreisenden den so dringend nötigen Raum zu geben? Könnte die Hauptpost - neben Papeterie - nicht auch noch Bahnhof sein?

Zugänge, Abgänge und Rampen können und sollten in angrenzenden Gebäuden angedacht werden, ebenso Velostationen.
 

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Winterthur Bahnhofplatz
Bild: Andreas Mader


Solche Vorhaben/Eingriffe geschehen nicht von heute auf morgen, müssen aber heute angegangen werden, damit sie übermorgen sein und positiv wirken können. Die Bevölkerung von Winterthur mit ihren Delegierten im Parlament und im Stadtrat sind dringend aufgefordert, sich für ihre Stadt einzusetzen und am Bahnhof erst „Stadt“ - anstelle von gelieferter Park+Ride-Provinz - einzufordern. Ich bin überzeugt, die SBB macht mit - die Ansprüche müssen aber von uns kommen, ansonsten macht jede Division nur das Beste in ihrem jeweiligen Bereich. Der Bahnhof ist zuerst Winterthur. Winterthur ist daher in der Pflicht - auch im Sinne der Bahn - die Divisionen der SBB zu deren und unserem Vorteil zu koordinieren. Dies erfordert heute klare Ansagen und öffentliche Haltungen:

 

  • Das „Leiterprinzip“ als qualitatives Geflecht von öffentlichen Räumen muss dringend umgesetzt werden!

  • Es braucht auf allen Seiten der Geleise hindernisfreie Verbindungen und direkte Bezüge in die Stadt, am besten mit freien, der Orientierung förderlichen Plätzen in alle vier (Altstadt – Lind – Wülflingen/Veltheim – Töss) Richtungen.

  • Der neue Kesselhausplatz vor dem Zentrum Neuwiesen als Vorbote solcher Plätze wird hoffentlich durch „Velohaufen“ nicht noch weiter degradiert.

  • Das brachliegende Potential der städtischen Nachbarschaft muss ausgeschöpft werden, um der Bahninfrastruktur zur nötigen Luft und dem dringlichen Raum zu verhelfen.


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Winterthur Stadttor
Bild: Andreas Mader


Die Formel Velostation + Baum = Städtebau + Klimaschutz, wie bei der ESSE-Velostation angewendet, ist nun hoffentlich als unzulänglich demaskiert. Winterthur braucht keine weiteren „Feigen-Blatt“-Bäume sondern, ein weitsichtiges Anpacken im Zentrum. Ich freue mich auf die ersten Vorstösse im Parlament und die Bereitstellung der Mittel dafür.